Das
Schicksal des amerikanischen Viermastschoners „James C. Hamlen“
Florian
Huber M.A.
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Einleitung
Heute
gehören Schiffswracks eigentlich nicht mehr zum typischen Bild
der Kieler Förde. Das war im Frühjahr 1945 noch ganz
anders: Nach Kriegsende war die Förde mit zerstörten
Schiffsrümpfen übersät. Eines dieser Kriegsopfer war
der amerikanische Viermastschoner "James C. Hamlen" (Walter
2000). Bis heute ragen die hölzernen Spanten des knapp 60 Meter
langen Segelschiffes unbeachtet von der Öffentlichkeit aus dem
Wasser der Förde. Zwischen den beiden Werften Lindenau und Gebr.
Friedrich hat die "James C. Hamlen" nach Kriegsende ihre
vorerst letzte Ruhestätte gefunden. Da der Rumpf des 1142
Bruttoregistertonnen (BRT) großen Schiffes die Schifffahrt
nicht behindert und auch bei den Werften zu keinen Problemen führte,
blieb es bisher mehr oder weniger unangetastet (Walter 2000).
Allerdings wird die Lindenau Werft ihr Gelände 2007 vergrößern,
weshalb das Wrack versetzt werden soll. Aus diesem Grund haben
Forschungstaucher der Arbeitsgruppe für maritime und limnische
Archäologie (AMLA) der Christian-Albrechts-Universität Kiel
zuvor die momentane Wrackfundstelle fotodokumentarisch untersucht.
Kurze
Geschichte des Schiffstyps „Schoner“
Als
Mitte des 18. Jahrhunderts die dreizehn britischen Kolonien
Nordamerikas ihre Wirtschaft so weit entwickelt hatten, dass nicht
nur unter den Kolonien, sondern auch mit den Westindischen Inseln ein
reger Handel aufblühte, entstanden an den Küsten an fast
jeder Bucht und jedem Fluss kleinere Schiffswerften (Veres u. Woodman
2002, 115). Wegen der üblicherweise vorherrschenden Winde vor
diesen Küsten bevorzugte man kleinere Zweimaster mit
Schratsegeln (Sammelbegriff für alle Segel, die in Richtung der
Schiffslängsachse gesetzt werden). Dieser Schiffstyp, dessen
Ursprünge in den Niederlanden und Britannien zu suchen sind,
wurde bald typisch amerikanisch.
Der
Name „Schoner“ oder „Schooner“ entstand angeblich beim
Stapellauf im Jahre 1714 eines dieser Küstensegler in
Gloucester, etwa 50 km nördlich von Boston. Ein Zuschauer habe
bemerkt „There she scoons“ („Da gleitet sie hin“), woraufhin
der Eigner des Schiffes, ein gewisser Andrew Robinson das Wort
„Schooner“ geprägt haben soll (Veres u. Woodman 2002,
115f.).
Die
positiven Fähigkeiten des schnellen und seetüchtigen
Schoners verbreiteten sich rasant und bald wurde er im Kurierdienst,
als Sklavenschiff aber auch zur Piratenjagd eingesetzt.
Der
größte jemals gebaute Schoner (aus Stahl) war die „Thomas
W. Lawson“ aus dem Jahre 1902
mit sieben Masten, 25 Segeln und gerade mal 16 Mann Besatzung. Er
hatte über 5000 BRT und eine Länge von 117 Metern; sein
Leben war jedoch nur von kurzer Dauer, er ging 1907 bei einem
schweren Unwetter vor den Scilly-Inseln, Großbritannien,
verloren. Als größter hölzerner Schoner lief die
„Wyoming“ 1909
in Bath,
Maine
(USA,
mit einer Länge von 137 Metern vom Stapel. Sie war das längste
je gebaute Holzschiff der Welt. Das spanische Schulschiff
„Juan
Sebastián De Elcano“, ein Vier-Mast-Brigg-Schoner aus Stahl,
ist momentan der größte Schoner auf See und lief 1927 in
Cadiz vom Stapel.
Die
"James C. Hamlen" in Amerika
Wie
genau der Lebenslauf der "James C. Hamlen" aussah, ist bis
heute ein Rätsel geblieben. Nur der Kieler Buchautor und
Zeitungsredakteur Bruno Bock hatte im Jahre 1962 in der Zeitschrift
für Schifffahrt "Die Seekiste" versucht, ein wenig
Licht ins Dunkel zu bringen (Bock 1962). Demnach war der
Viermastschoner „James C. Hamlen“ vor 86 Jahren, am 11. September
1920, bei der Cumberland Shipbuilding Company in Portland (US
Bundesstaat Maine) vom Stapel gelaufen. Bereits im folgenden Monat
lief der stattliche Viermaster unter dem Kommando von Kapitän
G.W. Torrey zu seiner ersten Reise nach Lissabon aus. Auch über
eine Westindienreise, die der Schoner 1922/23 machte, liegen einige
Angaben vor. So wurden unter anderem Häfen in Barbados und Turks
Island angelaufen, bevor man im Hafen von New York wieder heimische
Gewässer aufsuchte (Bock 1962, 403).
1924
begann dann eine ungewöhnliche Pechsträhne der „James C.
Hamlen“. Nach einem überstandenen Ruderschaden lief der
Schoner kurz darauf zweimal hintereinander auf der „Rose and Crown“
-Untiefe im Golf von Maine auf Grund und wurde von seiner Mannschaft
verlassen. Bergungsschlepper brachten das Schiff daraufhin zunächst
nach Boston, später zurück nach Portland, wo es gründlich
überholt wurde. Bei einem Brand, der im August 1926 die „Brown`s
Wharf“ in Portland verwüstete, wurde auch die „James C.
Hamlen“ beschädigt. Wieder wurde das gerade mal sechs Jahre
alte Schiff repariert und erneut auf Reisen geschickt. Laut Bock
(1962, 403) besagt eine letzte Notiz über die Fahrten des
Schoners unter amerikanischer Flagge, dass das Schiff im Januar 1927
mit Beschädigungen an Deck und stark leckend von dem
Coastguard-Kutter „Seminole“ nach New York eingeschleppt wurde.
Die
„James C. Hamlen“ wird zur „Jaan“ - Europa und der 2.
Weltkrieg
Erst
sieben Jahre später wurde das Schiff erneut in Fahrt gebracht.
Im Jahre 1934 kaufte der estnische Reeder Kristjan Jurnas die beiden
Viermaster „James C. Hamlen“ und „Josiah B. Chase“ und holte
sie von der Ostküste Amerikas direkt in ihren neuen Heimathafen,
der 1241 vom Deutschen Orden gegründeten Stadt Pernau (heute:
Pärnu) in Estland. Dort angekommen, wurde das Schiff kurzerhand
in „Jaan“ umgetauft und bis zum Kriegsbeginn in der Frachtfahrt
auf Ost- und Nordsee eingesetzt (Bock 1962, 403).
Was
mit der „Jaan“ danach passierte, lässt sich aus der „ersten
Beilage zum Deutschen Reichsanzeiger und Preußischen
Reichsanzeiger“ vom 22. Oktober 1942 entnehmen. Darin ist zu
lesen, dass der Prisenhof1
in Berlin bekannt gibt, dass „der Viermastschoner der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken „Jaan“, 1142,22 BRT,
Unterscheidungssignal: ESTU, Heimathafen Pernau, Eigentümer:
Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken, ohne Ladung am 2. Oktober
1941 in Pidula2,
in Ausübung des Prisenrechts aufgebracht worden ist“.
Folgende
Gründe nennt der Prisenhof in seinem offiziellen Beschluss: „Es
handelt sich bei der „Jaan“ nach den vorhandenen Schiffspapieren
und der Aussage des Kapitäns Lichtermann um ein ehemals
estnisches, nationalisiertes und zur Führung der Flagge der
UdSSR berechtigtes, also feindliches Seefahrzeug, von dem anzunehmen
ist, dass es nicht im Sinne des Art. 1 Abs. 2 PO. ausschließlich
für Zwecke der öffentlichen Verwaltung bestimmt oder
verwendet worden ist. Es unterliegt nach Art. 1 PO. dem Prisenrecht
und nach Art. 6 u. 10. PO. als feindliches Seefahrzeug der
Aufbringung und Einziehung. Dem Antrag des Reichskommissars war daher
gemäß Art. 68 Abs. 3 PO. stattzugeben und zwar, ohne dass
es der vorherigen Anhörung Beteiligter bedurft hätte, da
die tatsächlichen Voraussetzungen für die Einziehung des
Schiffes ausser Zweifel stehen.“
Letztendlich
wurde der Viermaster bei einem Angriff am 2. Mai 1945 durch
Fliegerbomben in Kiel (Tirpitzhafen/Hindenburgufer) getroffen und auf
Grund gesetzt. Danach diente der Segler noch bis 1946 als Wachschiff
und wurde später zum Abwracken nach Friedrichsort geschleppt.
Während des strengen Winters 1946/47 sollen die Kieler Anwohner
mit Äxten und Sägen den damals noch fast vollständig
erhaltenen Rumpf zerschlagen haben, um mit dem Holz der Decks und
Bordwände ihre Wohnungen zu heizen. So blieb nur das von der
"Jaan" übrig, was unterhalb der Wasserlinie liegt
(Walter 2000). Gut sichtbar ist das Wrack allerdings bei
Niedrigwasser; die gesamte Rumpfform, sowie der imposante Vorder- und
Achtersteven sind dann gut zu erkennen.
Literatur
Bock
1962: B. Bock, Die Seekiste – Ein Journal der Schiffahrt. Heft 6,
Juni 1962. Kiel.
Veres
u. Woodman 2002: L. Veres u. R. Woodman, Unter Segeln – vom Einbaum
zum Hightech-Segler. (Bielefeld 2002).
Walter
2000: Peter O. Walter: (http://www.esys.org/news/sos_0004.html),
[2007].
Danksagung
Die
AMLA dankt der Gebr. Friedrich Werft für ihre Unterstützung
bei den Taucheinsätzen. Herr Theodor Dorgeist war so freundlich,
dem Autor zwei historische Abbildungen aus seiner Sammlung zur
Verfügung zu stellen.
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